Zum Thema Fleisch kamen Wolfgang Otto und seine Brüder vor 15 Jahren eher zufällig. Heute ist es ihre größte Leidenschaft. Das von den drei Brüdern gegründete Unternehmen Otto Gourmet gibt Menschen die Möglichkeit, hochwertiges Fleisch ganz einfach online zu bestellen. Aber woran erkennt man hochwertiges Fleisch, welche Reifungsprozesse gibt es und wie kann jeder bewusst mit dem eigenen Fleischkonsum umgehen? Darüber haben wir mit Wolfgang Otto, Geschäftsführer von Otto Gourmet, gesprochen.
Immer mehr Leute möchten Fleisch bewusster genießen – merken Sie diesen Trend und wenn ja, wie macht sich das bemerkbar?
Vor 15 Jahren haben wir den Leitspruch „Mit gutem Gewissen genießen“ kreiert. Es war für uns von Anfang an sehr wichtig zu wissen, wo das Fleisch herkommt. Das Fleisch, das wir verkaufen, ist limitiert und stammt von einzelnen Züchtern – deshalb sagen wir: Lieber weniger, dafür aber bewusst essen. Vor 15 Jahren ging es bei Fleisch eher um Nahrungsaufnahme und Sattwerden. Aus dieser Phase sind wir in Deutschland längst raus, und viele beschäftigen sich heute mit bewusster Ernährung. Artgerechte Haltung, Umweltbewusstsein, Klimawandel stoppen und Nachhaltigkeit sind heute auf der Agenda, und der Trend zum bewussten Genuss ist unaufhaltsam. Erst wenn man weiß, wo das Fleisch herkommt, kann man die Qualität auch beurteilen, und es springen immer mehr Menschen auf diesen Trend auf. Wir merken das als Onlinehandel besonders, da das Fleisch, das wir verkaufen, nicht an jeder Ecke erhältlich ist. In den letzten 15 Jahren ist ein kompletter Bewusstseinswandel geschehen. Die Menschen sind bereit, hochwertige Lebensmittel zu kaufen. Und es ist ein Wandel auch auf Züchterseite: Wenn der Verbraucher nach hochwertigem Fleisch fragt, hat der Züchter natürlich auch eine andere Motivation, hochwertig zu produzieren.
Was denken Sie, was kann jeder dafür tun, um bewusster mit dem eigenen Fleischkonsum umzugehen?
Es fängt mit der Frage an: „Was habe ich auf dem Teller?“ Jeder Einzelne kann sich darüber Gedanken machen. Ich vergleiche es gerne mit der Wahl des Stromanbieters. Der Strom kommt zwar aus der Steckdose, aber wird er nun aus Atomkraft oder aus Windkraft gewonnen? Das macht einen großen Unterschied. Sich darüber Gedanken zu machen, was für Unterschiede es bei den verschiedenen Fleischangeboten gibt und wo das Fleisch herkommt, ist bereits ein wichtiger Schritt. Die meisten werden dann feststellen: Das günstige Fleisch wird ja auch billig produziert und sehr günstiges Fleisch kann nur aus Massentierhaltung stammen. Wenn wir uns darüber bewusst werden, kann das bereits helfen.
Was macht Fleisch zu hochwertigem Fleisch? Gibt es dafür bestimmte Faktoren?
Wir haben ganz am Anfang von Otto Gourmet fünf Qualitätskriterien festgelegt, die für uns hochwertiges Fleisch ausmachen.
Das wichtigste ist der Züchter, denn er entscheidet, wie er sein Produkt züchtet. Es gibt mittlerweile Hühnerställe, in denen 100.000 Hühner gezüchtet werden. Das ist für uns unvorstellbar. Für uns muss der Züchter mit Liebe und Leidenschaft hinter dem stehen, was er macht. Zudem ist die Auswahl der Rasse ganz entscheidend. Am Beispiel Rind: Es gibt Tiere, die werden für die Milchproduktion gehalten, und es gibt Tiere für die Fleischproduktion. Aus einer Milchkuh wird niemals ein hochwertiges Stück Fleisch, weil die genetische Veranlagung dafür nicht vorhanden ist, sie lagern nicht so viel intramuskuläres Fett ein. Die Fütterung ist das dritte Kriterium. Die Qualität des Fleisches wird dadurch beeinflusst, je nachdem ob das Tier mit billigem oder hochwertigem Futter groß wird. Zudem zählt auch, wie alt das Tier wird: Wird das Tier also nach 16 oder 17 Monaten oder mit 24 Monaten geschlachtet? Davon ist natürlich auch der Muskelaufbau betroffen. Nur wenn ich dem Tier mehr Zeit gebe, kann es auch eine vernünftige Muskelstruktur ansetzen. Das fünfte Kriterium ist die Veredelung, d.h. die Reifung des Fleischs. Alle diese Kriterien machen hochwertiges Fleisch aus.
Und wie erkennt man „gutes“ Fleisch beim Kauf? Worauf sollte man achten?
Man hat keine Chance zu erkennen, was hochwertiges Fleisch ist und was nicht. Am Anschnitt sieht man es nicht, und die Theken sind auch immer gut ausgeleuchtet.
Dafür muss man nachfragen. Also ist es immer besser, wenn auf der anderen Seite jemand steht, der einem die Fragen beantworten kann. Wenn diese Person sagen kann, woher das Fleisch kommt, welche Rasse dahintersteckt, wie lang die Aufzucht war, welches Futter das Tier bekommen hat und welche Reifung das Fleisch hat, nur dann kann ich ein Produkt einschätzen. Leider werden auf den Verpackungen im Supermarkt auch immer wieder falsche Sachen behauptet, da jeder sein Produkt auch einfach nennen kann, wie er will.
Welche Reifungs- und Veredlungsprozesse gibt es und wie wirken sie sich aufs Fleisch aus?
Es gibt zwei klassische Varianten von Reifungen: Die Nass- und die Trockenreifung. Nassreifung bedeutet, dass das Produkt nach der Schlachtung vakuumiert wird und dann anaerob reift, also ohne Zufuhr von Sauerstoff. Fleisch muss reifen, denn nur dieser Prozess bricht die Eiweißstruktur des Muskels auf. Dadurch wird das Fleisch zart. Zu lange darf die Nassreifung allerdings nicht dauern, denn irgendwann schlägt der pH-Wert um und das Fleisch wird sauer. Das Trockenreifungsverfahren ist ein sehr traditionelles Verfahren. Nach der Schlachtung werden die Fleischstücke für eine gewisse Zeit separat zwischen 0 und 2 Grad im Kühlhaus abgehangen. Über mehrere Wochen verliert das Fleisch Flüssigkeit. Ein Muskel hat bis zu 70 Prozent Wasseranteil. Wenn das Fleisch Wasser verliert, führt es dazu, dass das Fleisch eine höhere Geschmacksintensität bekommt. Das beste Beispiel dafür ist luftgetrockneter Schinken. Der Nachteil ist, dass das Fleisch auch außen abtrocknet, sodass 30 bis 50 Prozent des Fleisches entfernt werden muss. Das macht das Produkt auch so teuer. Deshalb wird die Trockenreifung nur bei bereits hochwertigen Produkten angewendet.
Je nach Reifung variiert die Geschmacksintensität des Fleisches. Mit einigen Reifungen bekommt das Fleisch zudem ganz eigene Geschmacksnoten. Zum Beispiel kann Fleisch in Brandy eingelegt werden, oder man wälzt es in Asche und lässt es dann reifen. Wir führen zudem die Fettreifung durch, bei der das Fleisch für die Reifung mit Fett ummantelt wird.
Es gibt bei hochwertigem Fleisch auch viele Varianten von Cuts. Was bedeutet das? Und gibt es Cuts, die völlig unterschätzt sind und die man unbedingt einmal gekauft und probiert haben sollte?
Ein Rind besteht aus ungefähr 80 verschiedenen Zuschnitten, die sogenannten Cuts. Es gibt klassische Cuts wie das Filet, Rib Eye, Roastbeef, Hüfte und der Tafelspitz, die sich vor allem in der Wertigkeit unterscheiden. Die hochwertigen Stücke können kurz gebraten und zum Beispiel als Steak verwendet werden. Die sogenannten B-Cuts sind Spezialcuts, die von hochwertigen Tieren kommen. Man kann sie ebenso kurz braten, aber kaum jemand kennt sie. Um diese Schnitte zu gewinnen, braucht es bestimmte Fleischrassen, eine bestimmte Fütterung und Weiteres. Dazu gehören zum Beispiel Flank Steaks, Skirt Steaks, Top Butt Flap oder Top Butt Cap. All diese Stücke sind sehr aromatisch. Sie stammen größtenteils aus dem Hüftbereich. Am Ende gibt es noch die C-Cuts – Wadenfleisch, Brustspitz oder Rippen. Diese können auch hochwertig zubereitet werden, aber über andere Techniken. Der Brustspitz wird zum Beispiel gesmokt. Diese ganzen Cuts kommen ursprünglich aus Amerika. Dort werden seit jeher Rinder mit den besten Fleischqualitäten gezüchtet. Das Sansibar Barbecue Steak kannte lange niemand in Deutschland – es ist butterzart, aber total geschmacksintensiv. Durch die Verarbeitung des ganzen Tieres bekommt zudem der Züchter und das Tier auch eine höhere Wertschätzung zurück.
Was sind außergewöhnliche Fleischsorten, die man mal probiert haben sollte?
Man sollte unbedingt ein Iberico probieren, damit man weiß, wie Schwein überhaupt schmecken kann. Pro Kilo kostet dieses Schweinefleisch 40 bis 50 Euro, aber es lohnt sich. Auch Bison ist ein Genuss. Wegen seines unheimlich hohen Anteils an Selen ist es eines der gesündesten Fleischsorten der Welt und wird auch als Sportlerfleisch bezeichnet. Die zahlreichen Kräuter, die Bisons fressen, wirken sich natürlich auch auf den Geschmack aus.
Was denken Sie, wie wird sich der Trend zum bewussten Fleischkonsum in Zukunft entwickeln?
Immer mehr Menschen beschäftigen sich mit dem Thema Ernährung. Ich war damals selbst Veganer. Dadurch habe ich mich mehr mit meiner Ernährung auseinandergesetzt. Und das ist das Wichtigste, das wir heute machen können. Erst wenn man sich für seine Ernährung interessiert wie für seine Hobbies, dann wird man sich gut ernähren. Auch die Auseinandersetzung mit dem eigenen Körper ist wichtig. Wenn wir wüssten, welche Auswirkung das, was wir heute essen, in 20 Jahren auf unseren Körper hat, würde man sich viel bewusster ernähren. Ich weiß, dass Rauchen schadet, aber weiß ich auch, dass ein mit Antibiotika gefüttertes Hühnchen mir schaden kann? Die Ernährung ist aber auf einem guten Weg; es gibt immer mehr Veganer, Vegetarier und auch Flexitarier. Und auch die Züchter erfahren nun endlich eine Wertschätzung, wenn sie nachhaltig züchten. Fleisch muss auch in Zukunft einen Wert haben und nicht nur am niedrigen Preis gemessen werden.
Bewusster Fleischgenuss steht im Trend und gibt die Möglichkeit, in der Küche immer wieder etwas Neues auszuprobieren. Ob Iberico oder Bison – beim Anbraten mit dem Cookit mit bis zu 200 Grad Celsius können edle Röstaromen erzeugt werden. Viel Spaß beim Entdecken des neuen Fleischgenusses!